Geschichte des Piercing

Die Geschichte des Piercings

Unter Piercing versteht man das Durchstechen der Haut und das anschließende Anbringen eines Schmuckstücks in den so entstandenen Stichkanal. Diese Körpermodifikation ist eine Kulturtechnik, die die Menschen schon seit Jahrtausenden anwenden. Die Gründe für ein Piercing sind vielfältig und mögen sich im Laufe der Jahre gewandelt haben, aber trotz aller Veränderungen - und auch Anfeindungen - ist das Piercen niemals völlig in Vergessenheit geraten. Im Gegenteil erfreut es sich in der heutigen Zeit wieder stetig wachsender Beliebtheit, und das quer durch alle Alters-, Bevölkerungs- und Berufsgruppen.

Doch warum lassen sich Menschen piercen?

Historische Piercings:

Genau wie heutzutage ging es auch früher den Menschen oft darum, ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe durch ihr Piercing zu dokumentieren. Es gab Piercings, die zu tragen nur bestimmten Kasten und gesellschaftlichen Gruppen wie etwa Priestern oder Adligen erlaubt war. Piercings, die einen spirituellen Hintergrund besaßen, wurden permanent oder auch nur zeitweise getragen. Gepierct wurde, um zu zeigen, dass der Träger einen wichtigen Punkt in seiner Entwicklung erreicht hatte, etwa zu einem vollwertigen Krieger geworden war oder die Pubertät erreicht hatte. Es gab auch Piercings, die eine schützende Funktion besaßen, und nicht zuletzt trug man sie auch einfach als Schmuck, weil man sie als schön empfand. 

Durch Grabfunde und erhalten gebliebene Bilder und Statuen wissen wir, dass Buddha durchstochene und geweitete Ohrläppchen besaß und auch die Ägypter Piercings kannten. Das beweist zum Beispiel dieTotenmaske Tutanchamuns, die ihn ebenfalls mit gedehnten Ohrlöchern zeigt. Auch die Azteken, die Inder und viele Indianerstämme und afrikanische Völker schmückten sich mit Piercings, die auch nicht selten geweitet wurden. Die Hindus glaubten, dass durchstochene Ohrlöcher ihre Kinder vor Krankheiten schützen konnten, und bei den äthiopischen Mursifrauen galten geweitete Lippen und Ohrläppchen als schön. Amerikanische Ureinwohner ließen sich für eines ihrer Rituale, den Sonnentanz, die Haut piercen und wurden durch ihre Piercings mit Schnüren mit einem Baum verbunden, den sie tagelang umtanzten. Danach wurden die Piercings wieder entfernt. Beispiele für rituelle Piercings gibt es auch aus Mittelamerika und Thailand. In Europa gibt es nur wenige gesicherte historische Belege für Piercings. Die Handwerksgesellen etwa ließen sich zu Beginn ihrer Wanderjahre (Walz) oft als sichtbares Zeichen ihres Standes ein Ohrloch stechen.

Moderne Piercings:

Auch heute ist es in vielen Subkulturen, wie etwa bei den Gothics, Punks, Hippies, Rockern und den SM- und Fetisch-Anhängern, um nur einige zu nennen, üblich, Tätowierungen und Piercings als Ausdruck eines bestimmten Lebensgefühls zu tragen. Dabei wird der Aspekt der Abgrenzung allerdings oft überbewertet, denn es geht den Piercing- und Tattooträgern nicht, wie so oft unterstellt, vor allem darum, sich abzugrenzen. Vielmehr ist es ihnen wichtig, ihre Einzigartigkeit, Ästhetik und das eigene Lebensgefühl durch ihre Körpermodifikationen auszudrücken. Es geht um Selbstausdruck und das Ausleben eines Schönheitsideals, das sich von dem allgemein geltenden unterscheiden mag, aber deshalb nicht weniger Gültigkeit besitzt.

Viele Menschen tragen auch Piercings, die auf den ersten Blick gar nicht sichtbar sind, wie etwa Bauchnabel-, Brust-, oder Intimpiercings. Darüber hinaus haben Umfragen gezeigt, dass viele Menschen sich tätowieren, oder piercen lassen, um wichtigen Ereignissen so ein permanentes Symbol zu setzen. Dazu gehören oft überstandene Krisen, beendete oder begonnene Beziehungen, der Schulabschluss, Heirat oder die Geburt eines Kindes. Viele bestätigen, dass sie sich an ihre eigene Stärke oder an glückliche Augenblicke erinnert fühlen, wenn sie ihr Piercing ansehen.

Zu den ästhetischen und emotionalen Gründen, ein Piercing zu tragen, kommen auch sexuelle, denn eine ganze Reihe von Piercings wirken sexuell stimulierend und werden deshalb von Männern wie von Frauen gerne getragen.

Drei der wohl schillerndsten Figuren und neben anderen auch Wegbegründer der modernen Piercingbewegung sind wohl Jim Ward, Fakir Musafar (Roland Laomis) und Doug Malloy (Richard Simonton). Jim Ward eröffnete Ende der 1970'er im Westen Hollywoods den legendären Gauntlet Store, der im Laufe der Jahre viele berühmte Piercer hervorbrachte. Ward arbeitete ständig daran, die Piercingtechniken und auch den verwendeten Schmuck zu verbessern. So verdanken wir ihm unter anderen auch den Stab (Barbell) in seiner heutigen Form. Außerdem war er Mitherausgeber eines Piercingmagazins, des PFIQ (Piercing Fans International Quarterly).

Fakir Musafar erkannte bereits im zarten Alter von zwölf Jahren seine Liebe für das Piercen und experimentierte im Laufe seines Lebens mit vielen Arten von Körpergestaltung. Er war Herausgeber verschiedener Zeitschriften zu dem Thema und schrieb und fotografierte auch unter anderem für PFIQ. Außerdem gilt er als einer der Mitbegründer der Modern Primitives (auch Urban Primitives), die sich bei ihren teilweise recht spektakulären Körpermodifikationen unter anderem an die Vorbilder aus sogenannten primitiven Kulturen halten.

Doug Malloy unterstützte Jim Ward in dessen Anfangszeit finanziell und durch seine umfangreichen Kontakte. Darüber hinaus schrieb er zahlreiche Artikel zum Thema Piercing und half so dabei, es weiter bekannt und populär zu machen.

Die Materialien:

Viele der ursprünglichen Materialien, wie etwa Knochen und Horn, Bernstein, Holz, Halbedelsteine, Edelmetalle und Glas, die die Menschen teilweise schon vor Tausenden von Jahren benutzten, werden noch heute zur Schmuckherstellung verwendet. Während ursprünglich vor allem Holz, Steine, Knochen oder Horn zu Schmuck verarbeitet wurden, wuchsen mit den Jahrhunderten auch die Möglichkeiten und Fertigkeiten der Menschen. So setzten sie etwa ihr wachsendes Können in der Metallverarbeitung nicht nur zum Herstellen von immer besseren Waffen, sondern auch zur Fertigung von Schmuck ein. 

Inzwischen sind zahlreiche Materialien hinzugekommen. Dazu gehören unter anderem Edelstahl (316 L, Chirurgenstahl), Titan, PTFE, Bioflex, Acryl und Kunststoff.

Der Schmuck:

Unter den historischen Schmuckfunden sind einige atemberaubende Stücke, zum Beispiel bei den in geweiteten Piercings getragenen Plugs oder den als Ohrschmuck getragenen Kreolen und Steckern. Der moderne Piercingschmuck, so wie wir ihn kennen, wie etwa die Klemm- und Segmentringe, Stäbe, Bananen und Hufeisen, wurden allerdings vor allem seit den Siebzigern entwickelt. Neue Materialien wie Titan und Edelstahl haben nicht nur die Sicherheit von Piercings enorm verbessert, sondern manche Piercingmethoden, wie etwa die Microdermals, erst möglich gemacht. Bioflex-Stäbe sorgen dafür, dass Piercings im Mundbereich nicht mehr den Zahnschmelz schädigen, und Piercing-Schmuck aus Bioflex kann sogar während der Schwangerschaft im Bauchnabel Piercing getragen werden, weil er sich der Körperform anpasst.

Kein Ende in Sicht

Piercing ist keine Geschichte mit einem Ende, denn es werden immer neue Formen der Körpermodifikation erfunden, und auch dazu passender Piercing Schmuck. Es wird überdies mit neuen Materialien experimentiert. Denn auch beim Piercen gilt, dass die Phantasie der Menschen unerschöpflich ist.

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